Unterwerfung von Michel Houellebecq ist eines der kontroversesten Bücher des Jahres 2015, das steht bereits zu Jahresbeginn fest. Der zeitgenössische französische Schriftsteller hat mit seinem Buch für Aufruhr in Frankreich gesorgt und wurde zum heiß diskutierten Thema, nicht nur im Kontext des Anschlages auf Charlie Hebdo.
Das Buch ist ein politischer Roman, welcher eine Zukunftsvision für ein Europa im frühen 21. Jahrhundert aufzeigt: Die rechten Parteien haben weiter an Einfluss gewonnen und die französische Regierung wird aus einer Koalition der linken Parteien und einer muslimischen Partei gebildet. Der Pariser Hochschullehrer Francois, zweifelsohne ein Alter Ego Michel Houellebecq’s, erlebt an der Universität Paris III einen Umbruch des politischen Systems Frankreichs, welcher sein Leben nachhaltig beeinflusst.
Francois ist Literaturwissenschaftler, zwischen vierzig und fünfzig Jahre alt, und wird im Buch als zynischer, verbrauchter Mann dargestellt, dessen Schwäche für Alkohol und Frauen sein Leben nur für kurze Momente bereichern kann. Treue Leser Houellebecq’s können durchaus Parallelen zu Figuren wie Michel, dem Protagonisten aus Plattform, entdecken. In zahlreichen Passagen schildert er seine erotischen Verhältnisse zu Studentinnen und schwadroniert über seine Lieblingswebsites. Seine Schilderungen des akademischen Milieus der Pariser Universitäten scheinen realistisch, was auch durch den Verweis auf eine Beraterin am Ende des Buches gestützt wird. Der Plot des Buches ist wenig überraschend und wenig spektakulär: Nach der Etablierung eines muslimischen Präsidenten finden islamisch geprägte Gesetze in verschiedenen Lebensbereichen Anwendung, jedoch in keinem so stark wie in der Bildungspolitik. Aus dem Kollegium der französischen Hochschullehrer werden nach anfänglicher Skepsis Muslime, welche Vielehen leben und die Vorzüge der männerdominierten Religion genießen.
Mein Fazit zu Unterwerfung
Unterwerfung kann guten Gewissens jedem empfohlen werden, der sich für Houellebecq interessiert. Als „Houellebecq-Einsteiger“ sind jedoch andere Romane des Autors, wie etwa Elementarteilen, vorzuziehen. Das Buch liest sich stellenweise etwas langatmig. Dies geschieht aufgrund der mit steigender Seitenzahl immer ausschweifenderen Bezüge zu Autoren wie Huysmans, mit welchen die Authentizität des Ich-Erzählers definiert werden soll. Dabei gleitet Houellebecq mitunter über zahlreiche Seiten vom Plot des Romans ab. Dies erscheint im Kontext seiner Person als übertrieben eitel, wird er doch selbst trotz Fehlens der entsprechenden “Ausbildung“ längst als Intellektueller wahrgenommen.
Das Buch füllt eine Lücke: Im Kontext der politischen Landschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist es längst überfällig, politische Zukunftsszenarien zu zeichnen. Aufgrund der rasanten technologischen Fortschritte hat sich der Fokus der Gegenwartsliteratur immer weiter auf Themen wie Datenschutz und künstliche Intelligenz verlagert, ohne dabei andere Entwicklungen wie das Aufkeimen der politischen Extreme in Europa ausreichend zu berücksichtigen. Eine Voreingenommenheit zu diesem sensiblen Thema kann den meisten Menschen unterstellt werden, weshalb ich als Leser eines provokanten Autors in diesem Buch zum Glück keine Aussagen im Talkshow-Format lesen muss.